• Alt und Unverzagt – Frauen erzählen Geschichte

    „Unsere Rechte können wir auch wieder verlieren“ Zu Besuch bei der ersten Genderprofessorin Ute Gerhard

    Prof. Dr. Ute Gerhard (* 1939) hat die Autonome Frauenbewegung und später die Frauenforschung in Deutschland wesentlich mitgeprägt. Sie studierte Jura, Soziologie und Geschichte und bekam 1987 den ersten Lehrstuhl für Frauen- und Geschlechterforschung an der Universität Frankfurt. Bis dahin kamen Frauen in der Wissenschaft kaum vor – weder als „Gegenstand“ in der Forschung noch als Lehrende.

    Als junge Frau mit 3 kleinen Kindern erlebte Gerhard Anfang der 1970 er Jahre, wie Mütter abgeschoben und gesellschaftlich isoliert waren. Die im Grundgesetz festgeschriebene Gleichberechtigung galt nicht in der Familie. Dabei war die bürgerliche Familie eine Erfindung des 19. Jahrhunderts. Aber für die bundesrepublikanische Politik war sie die „Heilige Kuh“ auch in Abgrenzung zur angeblich „staatlichen Aufbewahrung der Kinder“ in der damaligen DDR.

    Ute Gerhard erzählt von ihrem Leben als Flüchtlingskind in einem niedersächsischen Dorf, der Arroganz der männlichen Kommilitonen an der Universität und ihrer frühen Sehnsucht nach Freiheit und Gerechtigkeit. Gemeinsam mit anderen Frauen thematisierte sie die ökonomische Abhängigkeit und häusliche Gewalt und musste sich dafür als Feministin beschimpfen lassen. In unserem Gespräch zeichnet sie die Debatten in der Frauenbewegung bis zur heutigen Genderdiskussion nach. Sie fordert die Sorgearbeit, die unter dem Begriff „Care“ zusammengefasst wird, anders zu bewerten und fürchtet, dass die Rechte, die sich Frauen erkämpft haben, auch wieder verloren gehen könnten.

    Das Gespräch habe ich im Juli 2023 geführt.

    Buchtitel:

    Ute Gerhard – Für eine andere Gerechtigkeit – Dimensionen feministischer Rechtskritik: Campus 2018

    Frauenbewegung und Feminismus – Eine Geschichte seit 1789: C.H.Beck 4. Aufl. 2020

    https://ute-gerhard.de/

    „Von Künstlerinnen habe ich gelernt, wie Altwerden gelingen kann“, Zu Besuch bei der Kunsthistorikerin Hanna Gagel

    Es hat Spaß gemacht, Dr. Hanna Gagel (*1935) in den Schweizer Bergen zu besuchen. Auf 1600 m Höhe verbringt sie dort gerne ihre Sommer. Die Kunsthistorikerin Gagel hat sich vor allem mit der Kunst von Frauen und deren Alterswerk beschäftigt. In unserem Gespräch erzählt sie von weiblicher Schaffenskraft und der Chance in reiferem Alter zu vertiefter Kreativität und Ausdrucksstärke zu finden. Gagel nimmt uns mit in ihre Kindheit bei Bremen, ihrem Studium der Kunstgeschichte, in dem weibliche Künstler kaum vorkamen, ihrem politischen Aufbruch in Berlin und dem Berufsverbot in den 1970ern, das es ihr unmöglich machte, an einer deutschen Universität zu lehren. So kam sie nach Zürich und forschte über die Rolle der Künstlerinnen in der Kunstgeschichte und ihrem anderen Blick auf die Welt. Das Gespräch habe ich im Sommer 2022 aufgezeichnet.

    2005 veröffentlichte Hanna Gagel ihr Buch „So viel Energie – Künstlerinnen in der dritten Lebensphase“ (Aviva Verlag), das inzwischen in der 6. aktualisierten Auflage vorliegt.