Dr. Christa Schulze (*1936) liebte ihren Beruf. Sie war zur Zeit der Wiedervereinigung leitende Oberärztin in der Dresdner Frauenklinik und erlebte hautnah die Privatisierung des Gesundheitssystems. Die Herausforderungen und Probleme habe sie nicht vorausgesehen. Vor allem Frauen, die in der DDR relativ gleichberechtigt waren, traf die Arbeitslosigkeit. Die Mutter des Schriftstellers Ingo Schulze erzählt von ihrem Alltag in der DDR, wie sie ihren Sohn alleine großgezogen hat und wie wichtig in ihrem Leben Kunst und Kultur sind. Und sie erinnert sich an ihren Vater, den Flugzeugbauer, mit dem die gesamten Familie nach dem Krieg in die Sowjetunion verschleppt wurde und wie sie sich als Kinder dort trotzdem frei fühlten.
Das Gespräch habe ich im August 2024 aufgezeichnet.
Teil 2 des Gesprächs mit der Sozialwissenschaftlerin Annelie Keil
Prof. Dr. Annelie Keil (*1939) erzählte in der letzten Episode (# 6) wie die aktuellen Bilder von Krieg und Zerstörung ihre frühen Kindheitserfahrungen mobilisiert und sie in eine tiefe Krise gestürzt haben. Sie beginnt eine Traumatherapie und sucht den Ort in Polen auf, in dem sie fünf Jahre im Kinderheim gelebt hat. In dieser Folge berichtet sie über diese Polenreise, über den freundlichen Empfang vor Ort und über Informationen, die ihre Mutter noch einmal in neuem Licht erscheinen lassen. Sie hat wieder Mut gefasst. Wir reden über Schutzengel, heilige Räume, Rituale und das Sterben. Ihren 85. Geburtstag hat Annelie noch einmal groß gefeiert – mit dem Gefühl der Dankbarkeit.
Das Gespräch habe ich im Oktober 24 geführt.
Dr. Barbara Ehret (*1940) wurde in den 1980er von ihren Kollegen als Hexe und Nestbeschmutzerin beschimpft und sogar vom Berufsverband der Frauenärzte verklagt. Der Grund: Die Chefärztin einer Rehaklinik kritisierte die zahlreichen medizinisch unnötigen Gebärmutterentfernungen, die Frauen verstümmelten und etliche krank machten. In unserem Gespräch redet sie über eine patriarchal geprägte Gynäkologie, die Frauen entmündigt. Sie berichtet von ihrer Suche nach Mitstreiterinnen und der Gründung des AKF (Arbeitskreis Frauengesundheit), der bis heute Frauengesundheitsthemen kritisch aufgreift. Sie erzählt von ihrer langen Flucht aus Schlesien, der Armut und wie sie sich als Kind in eine andere Welt phantasiert hat. Später fielen der Gynäkologin zwei Mädchen regelrecht in den Schoß. Heute freut sie sich über ihre Enkel, hält ihre Neugierde an der Welt für eine wichtige Triebfeder und engagiert sich bei „Omas gegen rechts“, weil „ich nicht nochmal eine Katastrophe erleben will.“
www.akf-info.de
Das Gespräch habe ich im September 2024 geführt
Uscha Mattner (*1942) treffe ich zwischen halbgepackten Kisten und leeren Regalen. Sie löst gerade ihre Wohnung in Bremen auf, um ganz nach Nizza zu ziehen. 46 Jahre hat sie hier gelebt, ihre Tochter großgezogen, gefeiert, gearbeitet, meditiert. In unserem Gespräch reden wir über Abschied nehmen und Erinnern. Uscha erzählt über ihre Tramptouren durch Europa, wie sie mit Straßenmusik ihr Reisegeld aufbesserte und über ihre Liebe zu Theater und Poesie. In unserem Gespräch rezitiert sie immer wieder Gedichte und singt. Gelernt hat Uscha Schallplattenverkäuferin in Cuxhaven, später leitete sie freie Theatergruppen und inszenierte u.a. Stücke des spanischen Dichters Garcia Lorca. Viele Frauen begeisterte sie mit ihren Rhetorik- und Yogakursen. Noch mit 81 lud sie im Rahmen der VHS ins Cafe Philo ein, wo sie über philosophische Themen diskutierte.
Prof. Dr. Luise F. Pusch (1944) ist heute präsenter in den Medien als vor 40 Jahren. Damals erschien ihr Buch „Das Deutsche als Männersprache“ in dem sie forderte, Sprache gerechter zu gestalten. Das interessierte zu der Zeit nur Wenige. Inzwischen ist die Sprache bunter geworden: Es wird geknackt, , Unterstriche und Doppelpunkte gesetzt. Für manche ein Dorn im Auge. Populist*innen heizen das Thema weiter an und reden von „Gendergaga“. Was die Linguistin dazu sagt und warum sie fürchtet, dass Frauen in der Sprache wieder zum Verschwinden gebracht werden könnten, schildert sie in dem Podcast. Und sie redet über sich privat, erzählt, wie quälend das Gefühl war, „anders“ zu sein und sich als Lesbe verstecken zu müssen, weil Homosexualität gesellschaftlich geächtet war. Inzwischen ist Luise seit Jahrzehnten glücklich mit einer Frau verbunden, publiziert mit ihr gemeinsam und gibt „Fembio“ heraus – eine umfangreiche Sammlung internationaler Frauenbiografien. Sie lebt in Hannover und Boston.
Das Gespräch habe ich im April 24 aufgezeichnet.
Gegen das Schweigen – meine etwas andere Kindheit und Jugend (Aviva 2022)