• Alt und Unverzagt – Frauen erzählen Geschichte

    Mutige Löwin in Abendblüte, Zu Besuch bei der Frauenärztin Barbara Ehret

    Dr. Barbara Ehret (*1940) wurde in den 1980er von ihren Kollegen als Hexe und Nestbeschmutzerin beschimpft und sogar vom Berufsverband der Frauenärzte verklagt. Der Grund: Die Chefärztin einer Rehaklinik kritisierte die zahlreichen medizinisch unnötigen Gebärmutterentfernungen, die Frauen verstümmelten und etliche krank machten. In unserem Gespräch redet sie über eine patriarchal geprägte Gynäkologie, die Frauen entmündigt. Sie berichtet von ihrer Suche nach Mitstreiterinnen und der Gründung des AKF (Arbeitskreis Frauengesundheit), der bis heute Frauengesundheitsthemen kritisch aufgreift. Sie erzählt von ihrer langen Flucht aus Schlesien, der Armut und wie sie sich als Kind in eine andere Welt phantasiert hat. Später fielen der Gynäkologin zwei Mädchen regelrecht in den Schoß. Heute freut sie sich über ihre Enkel, hält ihre Neugierde an der Welt für eine wichtige Triebfeder und engagiert sich bei „Omas gegen rechts“, weil „ich nicht nochmal eine Katastrophe erleben will.“

    www.akf-info.de

    Das Gespräch habe ich im September 2024 geführt

    „Denkt euch Uscha glücklich!“, Zu Besuch bei der Lebenskünstlerin Uscha Mattner

    Uscha Mattner (*1942) treffe ich zwischen halbgepackten Kisten und leeren Regalen. Sie löst gerade ihre Wohnung in Bremen auf, um ganz nach Nizza zu ziehen. 46 Jahre hat sie hier gelebt, ihre Tochter großgezogen, gefeiert, gearbeitet, meditiert. In unserem Gespräch reden wir über Abschied nehmen und Erinnern. Uscha erzählt über ihre Tramptouren durch Europa, wie sie mit Straßenmusik ihr Reisegeld aufbesserte und über ihre Liebe zu Theater und Poesie. In unserem Gespräch rezitiert sie immer wieder Gedichte und singt. Gelernt hat Uscha Schallplattenverkäuferin in Cuxhaven, später leitete sie freie Theatergruppen und inszenierte u.a. Stücke des spanischen Dichters Garcia Lorca. Viele Frauen begeisterte sie mit ihren Rhetorik- und Yogakursen. Noch mit 81 lud sie im Rahmen der VHS ins Cafe Philo ein, wo sie über philosophische Themen diskutierte.

    „Ich wollte, dass Frauen sichtbar werden“, Zu Besuch bei der Sprachpionierin Luise F. Pusch

    Prof. Dr. Luise F. Pusch (1944) ist heute präsenter in den Medien als vor 40 Jahren. Damals erschien ihr Buch „Das Deutsche als Männersprache“ in dem sie forderte, Sprache gerechter zu gestalten. Das interessierte zu der Zeit nur Wenige. Inzwischen ist die Sprache bunter geworden: Es wird geknackt, , Unterstriche und Doppelpunkte gesetzt. Für manche ein Dorn im Auge. Populist*innen heizen das Thema weiter an und reden von „Gendergaga“. Was die Linguistin dazu sagt und warum sie fürchtet, dass Frauen in der Sprache wieder zum Verschwinden gebracht werden könnten, schildert sie in dem Podcast. Und sie redet über sich privat, erzählt, wie quälend das Gefühl war, „anders“ zu sein und sich als Lesbe verstecken zu müssen, weil Homosexualität gesellschaftlich geächtet war. Inzwischen ist Luise seit Jahrzehnten glücklich mit einer Frau verbunden, publiziert mit ihr gemeinsam und gibt „Fembio“ heraus – eine umfangreiche Sammlung internationaler Frauenbiografien. Sie lebt in Hannover und Boston.

    Das Gespräch habe ich im April 24 aufgezeichnet.

    Gegen das Schweigen – meine etwas andere Kindheit und Jugend (Aviva 2022)

    „Es ist wieder Krieg – auch in mir, dem Kriegskind“, Zu Besuch bei der Sozialwissenschaftlerin Annelie Keil

    Mit Prof. Dr. Annelie Keil (* 1939) wollte ich mich eigentlich über ihre Unikarriere, Psychosomatik und ihre zahlreichen sozialen Projekte unterhalten. Stattdessen erzählt sie von ihrer Retraumatisierung durch den Ukrainekrieg, von ihren frühen Jahren in einem Kinderheim im besetzten Polen und von Flucht und Gefangenschaft. Wir reden über Autonomie und Abhängigkeit und über Resilienz. Die Sozial- und Gesundheitswissenschaftlerin hat an der Uni Bremen gelehrt und sich schwerpunktmäßig mit dem Zusammenhang von Biografie, sozialen Verhältnissen und Krankheit beschäftigt.

    Das Gespräch habe ich im November 2023 geführt.

    A. Keil:  Wenn das Leben um Hilfe ruft – Angehörige zwischen Hingabe, Pflichtgefühl und Verzweiflung, Scorpio Verlag, 2017

    http://www.anneliekeil.de/

    „Ich vertraue dem Tag“, Im Gespräch mit der Autorin und Mediatorin Sabine Zurmühl

    Sabine Zurmühl (1947) veröffentlichte 2022 ein Buch über Cosima Wagner, die umstrittene Ehefrau des Komponisten Richard Wagner. Das hatte mich überrascht, denn ich kannte sie bis dahin vor allem als Gründerin der Frauenzeitung „Courage“ und als Journalistin.  In dem Podcast erzählt sie, von ihrer Liebe zur Musik und was Wagner mit ihrem kriegstraumatisierten Vater zu tun hat. Sie beschreibt ihr Aufwachsen im zerbombten Westberlin, ihre einsame Jugend, ihr Studium der Germanistik und die frühe Ehe. Ein Flugblatt führte sie Anfang der 1970er Jahre eher zufällig ins Westberliner Frauenzentrum, wo sie sich mit anderen Frauen die Köpfe heißredete, Projekte entwickelte und die Liebe zu Frauen entdeckte. Eine kreative Zeit, die ihr Leben nachhaltig bereichert hat. Mit 50 beginnt sie eine Mediatorinnenausbildung und arbeitet 20 Jahre in dem Beruf. Sie unterstützt junge Kolleginnen in ihrem Werdegang im Rahmen des Journalistinnenbunds. Heute lebt sie mit ihrer Partnerin in der Nähe von Berlin und in Wien, genießt Freundschaften und das Orgelspiel in der Dorfkirche.

    Das Gespräch habe ich im Dezember 2022 aufgezeichnet.

    Zurmühl, S: Cosima Wagner – ein widersprüchliches Leben (Böhlau Verlag 2022)