Elfi Conrad (*1944) hat mit fast 80 einen Bestseller gelandet. In ihrem Debütroman „Schneeflocken wie Feuer“ erzählt sie aus Sicht der älteren Frau die (autofiktionale) Geschichte der 17-jährigen Dora, die in der tristen Enge einer westdeutschen Kleinstadt ihre Körperlichkeit und Raffinesse ausprobiert. Sie will kein Opfer sein. Mit Schmollmund, Petticoat und Stöckelschuhen verführt sie einen Lehrer und rächt sich so an der männlich-autoritären Dominanz der Nachkriegsjahre. In ihrem 2025 veröffentlichten Buch „Als sei alles leicht“ schreibt Conrad über Vertreibung und Flucht und auch hier spielen Erotik, Zwang und Gewalt eine Rolle. Conrad hat Deutsch und Musik studiert, viele Jahre als Lehrerin und Dozentin gearbeitet und nach der Pensionierung angefangen, Romane zu schreiben. Im Podcast erzählt sie, wie sie auf Twitter entdeckt wurde, redet über ihre Freude am Schreiben, ihre Widerständigkeit und Disziplin und welche Herausforderungen junge Frauen durch die All Präsenz der sozialen Medien heute haben.
Elfi Conrad, Schneeflocken wie Feuer, 2023 – jetzt als Taschenbuch erhältlich
Als sei alles leicht, 2025
Das Gespräch habe ich im Juni 2025 geführt.
Die Psychologin Sema Yilmaz- Karasu (1948) kennt sich in der türkischen und deutschen Kultur gut aus. 1980 zog die alleinerziehende Mutter von Istanbul nach Westberlin und baute dort ein psycho-soziales Hilfe-Netzwerk für türkische Einwandererfamilien auf. Für diese Pionierarbeit wurde sie 2012 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Bei Kaffee und selbstgebackenem Kuchen erzählt sie, wie sie schon in den 1970er Jahren in einem großen Istanbuler Nervenkrankenhaus Gastarbeiterinnen mit „Heimwehkrankheit“ behandelte. In Westberlin traf sie dann auf viele verunsicherte und entwurzelte Migrant*innen und zerrissene Familien, die keinen Zugang zu den deutschen Beratungsangeboten fanden. Yilmaz-Karasu arbeitete jahrelang als Psychotherapeutin in einer Familienberatungsstelle und später als niedergelassene Psychoanalytikerin. In unserem Gespräch beschreibt sie den Prozess der Integration über mehrere Einwanderergenerationen hinweg und betont, wie wichtig das Gefühl der Zugehörigkeit und familiären Bindung für die seelische Gesundheit sei. Yilmaz- Karasu erzählt auch von sich persönlich, wie herausfordernd ihr Leben als alleinerziehende Mutter und türkische Migrantin in Westberlin war. Sie erinnert sich an ihre jungen Jahre in Istanbul, wo sie schon gegen Diskriminierung und für Gerechtigkeit kämpfte. Inzwischen lebt sie in Bodrum und in Berlin und freut sich nach einem arbeitsreichen und bewegten Leben endlich frei von Verpflichtungen zu sein.
Gisela Erler (*1946) ist eine tatkräftige Frau. Sie hat 1991 den erfolgreichen „pme-Familienservice“ gegründet, der Eltern unterstützt, Familie und Beruf zu vereinbaren. Zuvor hatte die Familienforscherin selbst erlebt, wie Mütter ausgegrenzt werden. Mit anderen Frauen zusammen verfasste sie deshalb 1987 das auch in der Frauenbewegung heißdiskutierte „Müttermanifest“. Darin forderte sie strukturelle Veränderungen und mehr Gehör in der Politik. Mit 65 Jahren ging sie selbst aktiv in die Politik und wurde „Staatsrätin für Bürgerbeteiligung“ in der grünen Landesregierung Baden-Württemberg. In unserem Gespräch erzählt Erler außerdem, was sie von ihrem berühmten Vater, dem SPD-Politiker Fritz Erler gelernt hat, wie sie als Studentin den linken Trikontverlag mitgründete, der u.a. die „Maobibel“ verlegte – ein Bestseller in den 1970er Jahren.
Gisela Erler, Demokratie in stürmischen Zeiten – Für eine Politik des Gehörtwerdens – Politische Erinnerungen, Herder Verlag 2024
Das Gespräch habe ich im März 2025 geführt.
Dr. Christa Schulze (*1936) liebte ihren Beruf. Sie war zur Zeit der Wiedervereinigung leitende Oberärztin in der Dresdner Frauenklinik und erlebte hautnah die Privatisierung des Gesundheitssystems. Die Herausforderungen und Probleme habe sie nicht vorausgesehen. Vor allem Frauen, die in der DDR relativ gleichberechtigt waren, traf die Arbeitslosigkeit. Die Mutter des Schriftstellers Ingo Schulze erzählt von ihrem Alltag in der DDR, wie sie ihren Sohn alleine großgezogen hat und wie wichtig in ihrem Leben Kunst und Kultur sind. Und sie erinnert sich an ihren Vater, den Flugzeugbauer, mit dem die gesamten Familie nach dem Krieg in die Sowjetunion verschleppt wurde und wie sie sich als Kinder dort trotzdem frei fühlten.
Das Gespräch habe ich im August 2024 aufgezeichnet.
Teil 2 des Gesprächs mit der Sozialwissenschaftlerin Annelie Keil
Prof. Dr. Annelie Keil (*1939) erzählte in der letzten Episode (# 6) wie die aktuellen Bilder von Krieg und Zerstörung ihre frühen Kindheitserfahrungen mobilisiert und sie in eine tiefe Krise gestürzt haben. Sie beginnt eine Traumatherapie und sucht den Ort in Polen auf, in dem sie fünf Jahre im Kinderheim gelebt hat. In dieser Folge berichtet sie über diese Polenreise, über den freundlichen Empfang vor Ort und über Informationen, die ihre Mutter noch einmal in neuem Licht erscheinen lassen. Sie hat wieder Mut gefasst. Wir reden über Schutzengel, heilige Räume, Rituale und das Sterben. Ihren 85. Geburtstag hat Annelie noch einmal groß gefeiert – mit dem Gefühl der Dankbarkeit.
Das Gespräch habe ich im Oktober 24 geführt.